Das Kieler Trinkwasser zählt zu den besten Wassern Deutschlands – dank der Gesteine tief unter der Förde und dank der Arbeit von Kollegen wie Oliver Deutner. Interview mit einem Ingenieur über Wassergüte, Schadstoffe, sauberes Wasser aus dem Hahn.
Vor gut 140 Jahren startete die städtische Trinkwasserversorgung in Kiel. Heute gilt das Kieler Wasser als besonders rein und unbelastet. Das war ja wahrscheinlich nicht immer so. Wie kam das zustande?
Das erste städtische Wasserwerk ging 1879 in Betrieb. Zehn Jahre später folgte das Wasserwerk am Schulensee. Aber das Wasser hatte noch eine deutlich schlechtere Qualität, es stammte überwiegend aus Flachbrunnen und Teichen. In den 1920-igern wurde dann unser heutiger Grundwasserleiter entdeckt.
Bei Interesse: Hier erfahren Sie mehr über die Geschichte der Wasser- und Energieversorgung in Kiel.
Und ein Grundwasserleiter ist…?
…eine grundwasserleitende Bodenschicht. Unsere heißt „Kiel-Bramstedt-Trog“ – entsprechend ihrer räumlichen Ausbreitung – und ist wasserwirtschaftlich gesehen ein echter Glücksfall. Denn sie besteht aus mehreren Schichten Braunkohlesand, in denen das Wasser steht, beziehungsweise langsam unter die Ostsee abfließt. Darüber, darunter und dazwischen liegen Ton-Mergel-Schichten, die weitgehend wasserundurchlässig sind. Der Braunkohlesand filtert unser Wasser, der Ton schirmt es ab. Da wurde 1929 erstmals reingebohrt. Seither fördern wir ungestörtes Wasser, mittlerweile aus bis zu 240 Metern Tiefe.
Das klingt nach einem geschlossenen System. Wie kann hier denn noch laufend neues Wasser hinzukommen?
Das passiert ganz, ganz langsam. Ein Regentropfen, der auf die Bodenoberfläche fällt, braucht mehrere 1000 Jahre, bis er da unten landet. Dabei findet er auch seinen Weg durch die Tonschichten, weil die auch feine Risse haben. Und auch auf diesem Weg wird das Wasser gereinigt und mit Mineralien angereichert.
Dann ist das Wasser ja schon ziemlich fertig, wenn Ihr es hochpumpt.
Tatsächlich könnten wir in Kiel und Umgebung unser Grundwasser direkt aus dem Brunnen trinken. Auch bakteriologisch wäre das unbedenklich. Über die hohe Wasserqualität können wir uns in Kiel und Umgebung wirklich freuen. Trotzdem bleibt noch einiges zu tun.
Und das wäre?
So genanntes Rohwasser, also das, was aus der Tiefe kommt, gilt laut Verordnung noch nicht als Trinkwasser. Tatsächlich würde unser Wasser beim Kunden sehr schnell braun anlaufen, weil es noch sehr viel Eisen und Mangan enthält. Also wird dem Wasser im Wasserwerk sehr viel Sauerstoff zugeführt, es wird verdüst, in einer Art extragroßen Dusche. Dabei wechseln Mangan und Eisen in ihre feste Form, wir sagen: sie flocken aus. Gleichzeitig – also auch durch die Beigabe von Sauerstoff – wird Schwefelwasserstoff aus dem Wasser entfernt. Das schwebt dann als Gas über dem Wasser und stinkt gewaltig nach faulen Eiern. Bei Führungen mit Schulgruppen sorgt das immer für großes Hallo. Aber aus dem Wasser ist es raus.
Was passiert nun?
Nun läuft das Wasser noch durch einen Schnellfilter aus Quarzkies. An den feinen Körnern bleiben die Eisen- und Manganrückstände haften. Danach geht das Wasser in den Reinwasserbehälter – und wir sind fertig.
Wie lange dauert diese Aufbereitung?
Vom Roh- zum Reinwasser ist der einzelne Tropfen innerhalb des Wasserwerks eine gute Stunde unterwegs.
Wir reden über ziemlich viele Tropfen. Wie viel Wasser braucht eine Landeshauptstadt plus Umgebung?
Es erreicht rund 330.000 Menschen und von ihnen werden pro Tag durchschnittlich 55.000 Kubikmeter Wasser verbraucht. Damit könnte man in etwa 22-mal das Schwimmerbecken im Hörnbad füllen – das größte Schwimmbecken in Kiel. Und das Tag für Tag für Tag.
Kann es bei dieser Menge mal sein, dass uns das Wasser ausgeht? Denken wir mal an das Trockenjahr 2018.
Zunächst einmal nein. Unser Grundwassereinzugsgebiet ist groß, allein das des Wasserwerkes Schulensee reicht fast von Neumünster bis an die Küste, und ganz überwiegend sind die Flächen unversiegelt. Natürlich fällt der Wasserspiegel im Sommer, aber im Winter und Frühling baut sich das gewohnte Niveau wieder auf. Trotzdem wirken sich die Wetterextreme auf unsere Arbeit aus.
Inwiefern?
Weil sich mit den Extremen auch das Verhalten unserer Kunden ändert. Generell ist es so, dass es morgens Verbrauchsspitzen gibt, wenn die meisten Leute duschen und Frühstück machen. Seit ungefähr zehn Jahren beobachten wir, dass es im Sommer eine weitere Verbrauchsspitze gibt, nämlich abends, wenn die Leute ihre Gärten wässern. Da geht einiges durch den Sprenger.
Ist das ein Problem?
Nicht akut, nein, aber Lastspitzen beobachten wir immer ganz genau. Wenn zu Stoßzeiten besonders viel Wasser verbraucht wird, dann müssen wir es zu diesem Zeitpunkt vorhalten und verteilen können. Wir müssen uns also frühzeitig fragen: Sind unsere Anlagen darauf ausgelegt? Aber augenblicklich haut alles hin.
Sollten wir grundsätzlich sparsamer mit Wasser sein?
Wasser ist ein wertvolles Gut, da ist ein sparsamer, bewusster Umgang immer gut. Ein sehr guter Vorsatz ist und bleibt zum Beispiel: Duschen ist besser als baden. Auch beim Rasensprengen ist es gut, wenn es bei vernünftigen Verbrauchsmengen bleibt. Aber wenn Abwasser im Spiel sind, sollte man auch nicht zu wenig Wasser verbrauchen. Stichwort Toilettenspülung: Der Abtransport des Abwassers und seiner Inhaltsstoffe funktioniert bis zur Kläranlage schließlich auch nur mit Wasser.
Was unser Wasser angeht, sind wir vom Glück begünstigt."
Wir haben noch nicht über schädliche Stoffe im Wasser gesprochen.
Die sind für uns in und um Kiel gottlob kein unangenehmes Thema. Wir prüfen unser Wasser regelmäßig und aufwändig im Rahmen der Trinkwasserverordnung und auch darüber hinaus: Mehrmals die Woche checken unabhängige Prüfer unser Wasser auf Bakterien. Die Werte sind für alle vier Wasserwerke seit vielen Jahren durchweg unbedenklich.
Bei Interesse: Hier finden Sie die aktuellen Analysewerte für das Kieler Trinkwasser.
Unbedenklich heißt, die Werte bleiben unter den gesetzlich vorgeschriebenen Grenzen. Aber stehen die nicht regelmäßig in Verdacht, vereinzelt zu hoch angesetzt zu sein, aktuell zum Beispiel der für Nitrit?
Na ja, Grenzwerte werden wissenschaftlich laufend hinterfragt und das ist ja auch absolut vernünftig. Was uns in Kiel wirklich tief entspannen kann: Wir unterschreiten alle bestehenden Grenzwerte sehr, sehr deutlich – auch für Nitrit. Ich habe ja von unseren exzellenten Bedingungen erzählt: Was unser Wasser angeht, sind wir vom Glück begünstigt.
Trotzdem machen sich viele Menschen Sorgen, wenn es ums Trinkwasser geht. Die Analysen der Stadtwerke Kiel gelten ja für das Versorgungssystem, nicht für die Hauswasserleitungen. Wieviel Sorge bleibt also berechtigt?
Aufmerksamkeit ist geboten, wenn im Haus noch Bleileitungen verwendet werden. Das ist grundsätzlich möglich bei Häusern, die älter als 1970 sind. Da ist der Vermieter oder dessen Verwaltung auskunftspflichtig darüber, welche Bedingungen bestehen.
Und wenn es trotzdem an Informationen fehlt?
Bleileitungen erkennt man recht gut an den verbauten Formstücken. Wenn man da einen klaren Hinweis auf Blei hat, dann gibt man eine Probe an ein akkreditiertes Labor – oder man wendet sich an das zuständige Amt für Gesundheit, die werden auch tätig. Wo wir eben über Grenzwerte gesprochen haben: Der Grenzwert für Blei ist niedrig und wird sicher gerissen, wenn es eine Gefährdung gibt.
Gibt es noch etwas, worauf man vor dem Trinken achten sollte?
Als Versorger sind wir nicht für die Hausinstallationen verantwortlich. Deshalb muss ich eine Einschränkung machen: Sofern unsere technischen Anschlussbedingungen beachtet wurden, also beispielsweise nur zulässige Materialien verbaut wurden, gibt es keine Bedenken, regelmäßig Wasser aus dem Hahn zu trinken. Und Verstöße sind hier eher eine Ausnahme.
Also: Du wünschst „guten Durst“?
Einen Tip habe ich noch: Wichtig ist, dass man für einen guten Durchfluss sorgt. Unser Wasser kommt mit 10 bis 12 Grad recht kühl aus dem Werk. Wenn es sich wärmer anfühlt, dann lässt man es besser ein bisschen laufen, damit man nicht das Wasser nutzt, das in der Leitung gestanden hat. Das kann man ja auffangen und in die Regentonne oder in die Zimmerpflanze gießen. So mache ich das.
Der hohe Härtegrad des Kieler Wassers ist kein Problem?
Der Härtegrad ist vielleicht ein Problem für Maschinen, aber sicher nicht für Menschen. Ja, der Wasserkocher verkalkt andauernd, das ist in Kiel halt so. Und die Waschmaschine braucht ebenfalls Entkalker. Aber unser Körper freut sich über das zusätzliche Calcium und Magnesium, das das Wasser so hart macht. Viele Leute kaufen sich diese Mineralien in Tablettenform. Bei uns gibt’s eine kleine Extra-Dosis frei Haus.